Keith Jarrett/ Gary Peacock/ Jack De Johnette: The Out-Of-Towners
(ECM/Universal)
Eine neue Keith Jarrett-CD: mal wieder im Trio, mal wieder live, mal wieder vorwiegend Standards. Damit wäre eigentlich alles gesagt. Wer bislang Keith Jarrett-Fan war, weiß jetzt, was auf ihn zukommt. Wer nicht, wird müde gähnen: alles beim alten. Stimmt aber nicht ganz. Gegenüber der frei fließenden, aber brüchigen Stimmung der letzten CD „Inside Out“ ist „The Out-Of-Towners“ eine erfrischende Rückkehr zu alten Werten. Zu hören ist nicht sensationell Neues, aber immerhin sensationell Altes. Sprich: ein wundersam zusammenspielendes enigmatisches Trio voller Dynamik und sich beständig verschiebenden Spannungsrastern. Weiterer Pluspunkt: die Aufnahme, die den Hörer die Illusion gibt, mitten auf der Bühne zu sein.
Branford Marsalis: Eternal
(Marsalis Music/In-akustik)
Ein Mann mit Anzug und verklärten Gesichtszügen sitzt gedankenverloren in einem Boot: Das Cover zu „Eternal“ zeigt, wo es musikalisch Branford Marsalis hinzieht. Aufgenommen mit seinem bewährten Quartett (Eric Reeves, Bass, Joey Calderazzo, Piano und Jeff „Tain“ Watts, Drums) lässt es Marsalis ungewohnt bedächtig angehen. Die Zeit der vorwärtstreibenden modalen Endlosexkurse wie auch die seiner Hip-Jazz-Seitensprünge scheinen gezählt. Auf „Eternal“ begibt sich Branford in die Obhut des Mainstreams – ohne dabei zu langweilen. Im Balladenformat erweist sich Marsalis als gewandter, beseelter Improvisateur, der gekonnt zwischen den Polen Sonny Rollins und John Coltrane pendelt.
David Sanchez: Coral
(Sony Classical)
Welcher Jazzmusiker würde dies nicht als Erfüllung seines Wunschtraums sehen: einmal mit einem großen Orchester auserwählte Songs aufnehmen? Mit 35 Jahren ist dem puertorikanischen Saxofonisten dieser Traum in Erfüllung gegangen. „Coral“ ist Sanchez erstes großorchestrales Album. Geholfen haben ihm dabei sein Sextett und die Prager Philharmonikern. Wer aber feurige Sax-Häppchen mit delikater Streichersoße erwartet, dürfte erstmal enttäuscht sein. Sanchez Sextett hält sich vornehm zurück, die Streicherarrangements bleiben diesseits der Gediegenheitsgrenze und nur Sanchez Saxofon zeigt Reibungspunkte auf. Doch wer genauer hinhört wird allerlei Finessen im ausgewogenen Klangbild entdecken. Ein großer Schritt für Sanchez, ein kleiner Schritt für die Menschheit.
Groundtruther: Latitude
(Thirsty Ear/Rough Trade)
Wer Thirsty Ear-CDs kauft, weiß, worauf er sich einlässt. Hier treiben FreeJazzer, HipHoper, Alternative-Rocker, DJs und Musiker ihr freigeistiges Unwesen. Thirsty Ear ist das wohl spannenste Plattenlabel der Jetztzeit. Groundtruther, das Duo des Schlagzeugers Bobby Previte und des Gitarristen Charlie Hunter ist dabei noch eines der konventionellsten Projekte. Doch im Vergleich zum heutigen Jazz-Mainstream ist es der nackte Wahnsinn. Groundtruther machen sich einen Heidenspaß daraus, die Rollen zu wechseln. Die Rollen von Begleiter und Solist, von Computer und Live-Instrument, von Form und Freiheit. HipHop-Beats, Funk-Grooves, splitternde Gitarrensounds und Trance-artige Soundscapes verschmelzen zu einem Maelstrom aus Sounds und Rhythmen. Und mittendrin spielt Gastsaxofonist Greg Osby so aufregend wie seit Jahren nicht mehr.
David Friesen Trio: Midnight Mood
(Intuition/Schott Music)
File under Piano-Trio. Das wäre sicherlich der Ort, wo im Plattengeschäft dieses CD einsortiert wäre. Vorausetzung: Der Namensgeber dieser CD wäre tatsächlich der Pianist, Ist er aber nicht. David Friesen ist Bassist und ein gewisser Randy Porter der Pianist. Nicht zu vergessen: Alan Jones am Schlagzeug. Zusammen spielen sie Jazz, der an die großen Piano-Trios von Bill Evans bis Keith Jarrett erinnert und sich vor allem durch das engmaschige, frische, nie egozentrische Zusammenspiel der Drei überzeugt. Dann doch lieber die Schublade: file under good music.
Rezensionen von Tiga Schwope