Trilok Gurtu: African Fantasy
(ESC/Efa)
Wenn der Name Trilok Gurtu fällt, sind Begriffe wie „Worldmusic“ oder „Multi-Ethno-Crossover“ schnell zu Hand. Liegt ja auch nahe: bei einem Inder, der mit vielen Größen des Jazz wie John McLaughlin, Joe Zawinul oder Pat Metheny gejammt hat, sich ebenso im Klassik- wie im Pop-Bereich heimisch fühlt und auf seinen eigenen Platten vertrackte Rhythmen aus aller Herren Länder zusammenbringt. Waren seine Solo-Versuche bislang gekennzeichnet von einer Art Überspieltheit und Virtuositätssucht (muss er wohl von John McLaughlin haben), so ist seine neue CD „African Fantasy“ angenehm zurückhaltend, fast schon im Pop-Sinn Song-orientiert. Um die Fusion indischer und afrikanischer Musik geht es ihm diesmal, und dieser Versuch afrikanische Grooves mit indischen Klangbildern und Pop-Melodien zusammenzuführen ist ihm unter’m Strich durchaus gelungen. Höhepunkte: die zwei Stücke mit Ex-Pili-Pili-Sängerin Angelique Kidjo.
Pat Metheny: A Map Of The World + Trio 99-00
(WEA)
Zwei Pat Metheny-CDs innerhalb von zwei Monaten: Ist das nicht selbst für den hartgesottensten Fan des flauschigen Popjazz-Gitarristen ein wenig zu viel? Nun ja, er muss ja nicht unbedingt beide kaufen! Zu „A Map Of The World“, einem Soundtrack, sollte er vielleicht nur greifen, um mitzubekommen, wie Methenys weichgezeichnetes Akkordspiel im Umfeld eines Streicherorchesters wirkt. Seine Trio-CD „99-00“ (mit Bill Stewart, Drums und Larry Grenadier, Bass) hingegen erfreut all jene, die den modernen Jazz-Gitarristen Metheny schätzen. Nicht, das er hier den Jazz neu erfindet; auch sein Trio wirkt nicht so traumwandlerisch eingespielt wie die Formation um Roy Haynes und Dave Holland in den 80ern, doch für einige delikate harmonische Preziosen und brilliant phrasierte Läufe ist der zwölffache Grammy-Gewinner immer gut. Kein Meisterwerk, aber eine gelungene Momentaufnahme eines der wichtigsten zeitgenössichen Jazzgitarristen.
John Patitucci: Imprint
(Concord/ Edel contraire)
Allein die Tatsache, der Bassist in Chick Corea’s Bands zu sein, rechtfertigte seine Solo-Karriere. Aber auch ohne Chick Corea wäre er wohl jetzt, was er ist: einer der gefragtesten Modern-Jazz-Bassisten. Seine Stärken: Technische Perfektion und eine ausgereifte Spielweise. Warum aber wohl niemand in 15 Jahren rückblickend seine Solo-CDs als Meisterwerke einschätzen wird, belegt seine neue und wohl auch beste CD „Imprint“. Zwar geizen Patitucci und seine kompetent besetzte Band (u.a. Chris Potter, Danilo Perez) nicht mit brillianten Improvisationen über komplexen, afro-kubanische Rhythmen, doch was fehlt ist schlichtweg das gewisse Etwas, auch Profil genannt, um sich von ähnlichen Projekten großartig abzuheben. Doch zugegeben: die nur mit Conga und Bass vorgetragene Version des Salsa-Jazz-Klassikers „Afro-Blue“ hat was.
Sonny Fortune: In The Spirit Of John Coltrane
(Shanachie/Koch)
Klar: bei diesem Titel weiß jeder, was wohl kommen wird… Auch wenn Sonny Fortune, als Saxophonist auf Miles Davis „Agharta“-Aufnahme bekannt geworden, im Gegensatz zu John Coltrane Altsaxophon spielt, so war der spirituelle Einfluss des Tenorsax-Giganten in seinem Spiel immer deutlich spürbar. Die Hommage an Coltrane war also längst überfällig, obwohl die Idee so originell nicht ist. Misslungene Coltrane-Huldigungen verstopfen ganze CD-Regale, diese aber ist in vielerlei Hinsicht ein Muss. Weil Fortune mit enormer Power und trotz des langen Schattens Coltranes sehr eigenständig bläst, sein Quartett diese Energie in inspirierten Improvisationen umsetzt, Ex-Coltrane-Drummer Rashied Ali auf einem Stück einen tollen Part abgibt… aber hören Sie selbst!
Larry Goldings: Moonbird
(Palmetto/Efa)
Auf dem Majorlabel Warner durfte B3-Bomber Larry Goldings bereits die ganze Palette moderner Orgelkunst vorexerzieren. Mal funky, mal straight swingend, mal mit verwegenen Improvisatione im Sinne seines erklärten Vorbilds Larry Young (der John Coltrane unter den Organisten): Goldings ist der abwechslungsreichste der jungen Hammond-Orgel-Revival-Generation. Auf seinem Debüt für das Indie-Label Plametto wagt er sich auf das bekannte Terrain des klassichen Orgel-Trios: zusammen mit Gitarrist Peter Bernstein und Drummer Bill Stewart geht die Reise in das Land verwegener Harmonien und rasanter Ryhthmen. Wie für seine Generation mittlerweile fast selbstverständlich, basieren seine Improvisationen weniger auf Jazzstandards als auf Popstücken, in diesem Fall von Joni Mitchell und Randy Newman. Damit setzt er zwar keinen neuen Standard, für eine die Klischees des Genres umgehende B3-Bestandsaufnahme hat es aber doch gereicht.
Nicholas Payton: Nick@Night
(Verve/Universal)
„Ich möchte nicht als Traditionalist abgestempelt werden“, sagt Nicholas Payton. Der 26-jährige Trompeten-Newcomer nimmt damit Bezug auf seine neue CD „Nick@Night“. Entweder ist jetzt die Wahrnehmung des Rezensenten getrübt oder vielleicht doch die des Herrn Payton. Denn was auf „Nick@Night“ passiert, spielt sich vorwiegend im Rahmen des mainstreamigen Neo-Hard-Bop ab. Ausnahme: das gelungene Remake des Ramsey Lewis JazzFunk-Klassikers „Sun Godess“ und einige Interludien. Um damit großartig überzeugen zu können, ist das leider ein wenig zu unspektakulär.
Diverse: Celebrating The Music Of Weather Report
(Telarc/in-akusik)
Wenn Jazzmusikern nichts mehr einfällt, dann spielen sie meist ein Tribut an einen anderen Musiker. Zu den Absurditäten des Blue-Note-Biz zählt, dass ein Ausnahmemusiker wie Joe Henderson nach drei Jahrzehnten erst mit Tribut-Alben an Miles Davis oder Carlos Jobim Erfolg hatte. Aber das nur am Rande. Warum aber sich noch niemand das Ouevre der Fusion-Vorreiter Weather Report vorgeknöpft hat, ist wohl eher verwunderlich. Vielleicht weil die Musik der Wetterberichtler um Joe Zawinul und Wayne Shorter so eigenständig, zeitlos, aber doch ihrer Zeit voraus war, dass jede Neuinterpretation an der Größe des Orginal scheitern muss. Womit wir auch schon beim Problem dieser Allstar-CD unter der Ägide von Keyboarder Jason Miles (er programmierte die Miles Davis-Hit-CD „Tutu“) sind: viele der Remakes von WR-Hits wie „Birdland“ oder „A Remark You Made“ sind wirklich gelungen, doch die Art der Instrumentierung, die unorginellen digitalen Synthie-Sounds, ersetzen nicht den (analogen) Charme der Originalarrangements. Dennoch: für die Idee gibt es ein dickes Plus!
Short Cuts
Dave Holland Quintett: Prime Directive
(ECM/Universal)
Hollands gewohnt dynamische Modern-Jazz-Exkursionen grooven diesmal sogar. Angenehm zurückhaltend und gespielt mit dem Wissen um die wirklich wichtigen Töne.
Jon Cleary: Moonburn
(Virgin)
Dieser Singer/Songwriter und Pianist aus New Orleans mischt seinem Blues eine hochprozentige Dosis Funk, gebraut nach Meters-Art, bei.
Dee Dee Bridgewater: Live At Yoshi’s
(Verve/Universal)
Beswingter bis mtreißender Livemitschnitt von Lady Dee, der Thronfolgerin der Holidays und Fitzgeralds.
David Gazarov: Black Vision
(Skip/Edel contraire)
Versierte Pianotrio-Erkundungen zwischen gedrosselter Akademik und leidenschaftlichen Emotionen.
Rezensionen von Tiga Schwope