Anacaona – The Buena Vista Sisters’ Club

DVD und CD zur Geschichte des einmaligen Frauen-Jazzorchesters

Havanna, 1932. In den Freiluftcafés, den Aires Libres, sorgen sieben Musikerinnen für Furore. Mit bezauberndem Lächeln überraschen die Mädchen, einige sind noch minderjährig, das Publikum mit Son-Stücken und die zehnjährige Millo schlägt leidenschaftlich die Bongos. Ein Skandal! Doch die Musik, die für die bürgerliche Gesellschaft wegen ihrer afrikanischen Wurzeln lange als primitiv und vulgär galt, reißt das Publikum mit. Der Son begann damals seinen Siegeszug um die Welt. Auf Kuba gibt es kaum eine Band, die für soviel Aufsehen gesorgt hat wie Anacaona. Als Concepción („Cuchito“) Castro zusammen mit drei Schwestern 1932 ihr Septett gründete, war dies die erste weibliche Formation, die den Son cubano spielte. Schon der Bandname kommt nicht von ungefähr: Anacaona hieß jene indianische Prinzessin, die sich im 16. Jahrhundert gegen die spanische Kolonialherrschaft erhob und zugleich als Musikerin und Tänzerin verehrt wurde.

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Als Anacaona sich 1934 zu einem Jazzorchester erweiterten, wirkten zeitweise11 Schwestern mit, die jüngsten im zarten Alter von 11 und 13 Jahren. Anacaona besaßen ein musikalisches Repertoire, das neben Son und Rumba auch Pasodoble, Samba, Jazz oder Foxtrott umfasste. Einige der Sängerinnen, die bei Anacaona ihre Karriere begannen oder die Band auf Tourneen begleiteten, schrieben später selbst Musikgeschichte: Graciela Pérez (die Schwester des Mambo-Kings Machito), die mit ihrer unvergleichlichen Stimme die Mambo-Ära in New York prägte; Celia Cruz, die mit Grammys überhäufte Salsa-Queen ;Omara Portuondo, die „Königin des Feeling“, die zuletzt durch den Buena Vista Social Club zu neuem Ruhm gelangte.

Verehrt wurden Anacaona allerdings nicht nur auf Kuba. Ab 1935 startete die Band ihre bejubelten, mehrmonatigen Auslandstourneen. Reiseziel war neben Lateinamerika auch New York, wo Anacaona u.a. eine Saison lang am Broadway auftraten und von den großen Namen des Jazz (Jimmy Dorsey, Xavier Cugat, Buddy Rich) hofiert wurden sowie Paris, das sich kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Bann afrokubanischer Rhythmen befand. Direkt an den Champs-Elysées bestritten Anacaona im Nachtclub „Chez Florence“ das Programm – abwechselnd mit der Band von Django Reinhardt.

Die Castro-Schwestern hatten es geschafft, ein Frauenorchester auf die Beine zu stellen, das nicht nur mit einem breiten Repertoire an Tanzmusik aufwarten konnte, sondern auch international gefragt war. Bis zur kubanischen Revolution von 1959 tourten Anacaona weiter durch Mittel- und Südamerika. Danach blieben die Schwestern auf der Zuckerinsel, ihr Orchester wurde beim Staatsunternehmen „Ignacio Piñeiro“ angestellt, das für traditionelle Musik zuständig war. Erst 1989 gingen die letzten sechs noch verbliebenen Schwestern in den Ruhestand – 57 Jahre nach Gründung der Band. Solange haben Anacaona die wechselvolle Geschichte Kubas überdauert. Mittlerweile zum “Nationalen Kulturgut” Kubas erklärt, steht Anacaona für die Zutaten eines leidenschaftlichen Cocktails der ersten weltweit erfolgreichen Girl-Band: Unwiderstehliche Rhythmen, musikalische Vielseitigkeit und magische Exotik.

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Am 22.2.2008 erscheinen DVD und CD „ANACAONA – The Buena Vista Sisters’ Club“. Die DVD zeigt die Geschichte der Frauenband aus der Perspektive der drei Schwestern Ada, Alicia und Ondina Castro, hin- und mitreißende Ladies im hohen Alter, die sich bei ihrer nachmittäglichen Cocktailstunde gern an die frühere Glanzzeit erinnern– und gelegentlich noch zu ihren Instrumenten greifen. Historische Aufnahmen in Bild und Ton bebildern ihre Rückblicke. Ergänzt wird diese Dokumentation durch einen Musikvideo-Teil: Neun historische Lieder von Anacaona aus den Jahren 1937 bis 1953 werden von Filmbildern aus dem heutigen Havanna mit seinem brüchigen Charme begleitet. Auch eine rezente Jam-Session im Hause Castro mit Kubas bestem Jazz-Pianisten Frank Emilio Flynn ist zu hören und zu sehen.

Die CD vereint und veröffentlicht zum ersten Mal eine Vielzahl von Anacaonas Aufnahmen aus den Jahren 1937 bis 1958. Diese Aufnahmen (25 Titel plus zwei Bonustracks) zeugen von Anacaonas hervorragenden und originellen Interpretationen. Sie belegt die große Bandbreite des Repertoires, das Son, Guaracha, Foxtrott, Jazz, fetzigen Mambo bis hin zu romantischen Boleros, gesungen von einem Stimmenquartett, umfasst.