Warum gibt es Jazz Sessions in Hannover? Darauf weiß Jazz-Musiker Dennis Cannizzo eine gute Antwort: „Jazz Sessions sind Existenz gebend für Profi-Musiker und für Nachkömmlinge. Sie bilden einen wichtigen Meetingpoint fürs Business“. Die Musiker bekommen die Möglichkeit sich zu präsentieren und können so viel leichter mit anderen Kunstschaffenden in Kontakt treten“. In Hannover finden regelmäßige Sessions im Kulturpalast Linden, im Gig und in der Marlene statt.
Eine Session ist immer auch eine Kontaktbörse für Jazz-Interessierte, Musikstudenten und Profis. Alle können von einander lernen und profitieren. Den besonderen Reiz einer Jazz Session macht die Improvisation der Künstler auf der Bühne aus. Die Musiker kommen spontan vorbei, weshalb es auch mal vorkommen kann, dass die Cicero-Big-Band auf der Matte steht und das Haus zum swingen bringt. So ergibt sich jeden Jazz-Abend eine andere Stimmung, ein anderer Klang und ein anderer Vibe.
„Aber nicht nur Berufs-Musiker und Studenten sind bei uns Willkommen“, so Cannizzo, „die Sessions sind für jeden, der Spaß an der Musik hat. Wir nehmen keinen Eintritt, da es bei uns primär um die Freude beim Spielen geht und wir uns ein großes und breitgefächertes Publikum wünschen“. Die Jazz Sessions im Kulturpalast, organisiert von Cannizzo, finden zwei Mal im Monat, jeweils am 2. und am 4. Donnerstag, statt. Der Kulturpalast hat sich dabei als ein sehr geeigneter Veranstaltungs?ort angeboten. „Die Besitzer haben talentierte Musiker gesucht, die musikalische Leckerbissen präsentieren. So kam dann auch schließlich der Kontakt über einen Dozenten zu Stande“, so Cannizzo weiter. Der Organisator der Sessions ist daher auch, seit mittlerweile vier Jahren, immer um tolle Eröffnungsbands und hochkarätigen Musiker bemüht. „Mir ist es wichtig, dass unsere Veranstaltungen überregional sind und auch Musiker aus anderen Hochschulen und Städten mit dabei sind“, erzählt Cannizzo.
Seit Ende Mai werden Musik-Fans in Sachen Jazz-Session auch im Gig verwöhnt. Jeden 1. und 3. Donnerstag steht das schmucke Lokal am Lindener Marktplatz ganz im Zeichen der offenen Bühne. Initiert haben die Reihe die beiden Studenten Arne Pünter und Michael Gudenkauf.
„Hannover haftet seit Jahr und Tag das Etikett ‘Jazzhauptstadt’ an. Um sich dieses Prädikat zu verdienen, bedarf es aber auch einer vitalen Session-Szene“, sagt Michael, „diese aber beschränkte sich lange Zeit einzig auf die Marlene. Schon ziemlich wenig für eine Stadt wie Hannover.“ Belebung im Session-Bereich kam mit dem Enagement von Dennis Cannizzo im Kulturpalast. „Mittlerweile läuft es dort so gut, dass wir uns überlegt haben, einen weiteren Spielort für die beiden anderen Donnerstage zu suchen“, so Arne. Bei Gig-Wirt Michael Solms stießen sie auf offene Ohren. „Es gab sofort einen guten Kontakt zu ihm. Wir vereinbarten zunächst einen Probetermin, der dann derart gut ablief, dass nun diese beiden festen Termine herausgekommen sind.“
Alledings sollen Gig-Sessions nicht im Konkurrenz zu anderen Angeboten stehen. „Im Gegenteil“, sagt Michael, „wir begreifen sie als Ergänzung“. Eröffnet wird er der Abend jeweils von einer festen Besetzung, anschließend haben Musiker Gelegenheit, ihr Könnnen zu zeigen. Bassist und Schlagzeuger sind dabei immer vor Ort. „Allerdings bleibt die Session nicht sich selbst überlassen, sondern wird von mir moderiert“, so Arne. Und Michael fügt hinzu: „Niemand muss bei uns Angst haben zu spielen, es gibt keine ‘Jazz-Polizei’.“
Die Gig-Sessions haben sich schnell etabliert, das Publikum ist bunt gemischt. „Das hat sicherlich zu tun mit der Qualität des Dargebotenen“, sagt Arne – was von Besucherseite bestätigt wird. „Was hier abgeht, ist manchmal schon sensationell. Da komme ich vor zwei Uhr morgens nicht aus dem Laden“, schwärmt ein langjähriger Konzert?gänger. Und ein Ende dieser beliebten Session-Reihe steht vorerst nicht zu befürchten. „Wir haben bereits Opener bis Mitte Februar gebucht“, freut sich Michael.
Die älteste bestehende Sessionsreihe findet jeden letzten Mittwoch im Monat in der Marlene statt. „Da kann man ja nicht dran vorbei“, sagte spontan Hervé Jeanne, heute Kontrabassist in der populären Big Band von Roger Cicero, als er Ende 1995 gemeinsam mit dem Pianisten Johannes Klose eine neue „Kultur-Gaststätte“ des Ehepaares Barbara und Helmut Wolff in Augenschein nahm. „Hier müssen wir unbedingt etwas veranstalten!“ Was die Beiden sahen, war verlockend: Eine nette Kleinkunstbühne, gutes Licht, eine ordentliche jazzgeeignete Akustik und Plätze für die Besucher an kleinen Tischchen, bei denen überall gute Sicht herrscht. Und tatsächlich: Das Jazzprogramm bei „Marlene“ begann am Sonntag, 4. Februar 1996, mit dem „Hervé Jeanne Trio feat. Eva Mayerhofer“. Schnell gesellte sich zu der von Hervé organisierten sonntäglichen Konzertreihe eine Session-Tradition hinzu, teilweise mit zwei Terminen pro Monat (einmal Musikschule, einmal Musikhochschule).
Aufgrund der sehr passablen Infrastruktur und des allmählich wachsenden Publikums machten zunehmend Studierende der Jazz/Rock/Pop-Studiengänge der Hochschule hier ihre Diplomkonzerte, ab Herbst 1999 wurde „Marlene“ auch zum Hauptstandort für die konzertanten Vorträge im Rahmen der angesehenen Hochschulgastworkshops. Um den Absolventen die Spielbedingungen zu verbessern, stellte die Musikhochschule erst einen „ausgedienten“ Grotrian-Steinweg-, später dann einen hochwertigen Steinway-Flügel zur Verfügung. Die Kooperation mit der Musikhochschule erweiterte sich im Herbst 1999 durch Konzerte von Workshop-Gastdozenten im Zusammenhang mit ihrem Lehrbesuch.
Musiker von der Laien-Bigband bis zur Weltklasse gaben sich die Klinke in die Hand: Richie Beirach (Piano/USA), Uli Beckerhoff (Trompete/D), John Taylor (Piano/GB), Peter Kowald (Kontrabass/D), Peter Weniger (Saxophon/D), Hendrik Meurkens (Harmonica und Vibraphon/D), Woody Mann (Gitarre/USA), Gabriele Hasler (Gesang/D), Kazutoki Umezu (Saxophon/JP), Dr. Ray Smith & Jazz Orchestra Synthesis (USA) und Portinho (Schlagzeug/Brasilien). Auch einige regionale Beiträge bleiben vielen Besuchern in guter Erinnerung, z. B. Lutz Krajenskis Show „Orgelmusik des 21. Jahrtausends“, die Band „Two Tenors“ mit Stephan Abel und Frank Delle, das Lars Kuklinski Septett und und und.
Die Jam Sessions liefen in den Folgejahren monatlich am letzten Mittwoch in enger Abstimmung mit dem Hochschulstudiengang und werden bis heute in der Regel von einer studentischen Combo eröffnet.