März 2005

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Kermit Ruffins: Putumayo Presents
(Exil/Indigo)

Als Gründer der großartigen Rebirth Brass Band ist der Trompeter Kermit Ruffins einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Doch auch als Solo-Künstler erwies sich Ruffins als gar nicht mal so braver Statthalter der New Orleans-Tradition. Von Louis dem Großen zu Dr. John reicht seine Referenzspektrum. Genüsslich stöbert Ruffins im großen Musik-Schatz der „Crescent City“ und fördert Erstaunliches zu Tage: Selten klangen Dixie, klassischer Second-Line-Beat, Jazz und Soul so aufregend und frisch, wie auf dieser Compilation, die die besten Momente aus Ruffins sieben Solo-Alben versammelt.

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John Abercrombie & Frank Haunschild: Alone Together
(Acoustic Music)

Zwei erstklassige Gitarristen treffen sich zum Dialog. Dem anderen beweisen, wer nun der Bessere ist, müssen weder John Abercrombie noch Frank Haunschild. Die neun Stücke dieser Duo-CD sind hingegen geprägt vom gegenseitigem Zuhören, abtasten und der feinen Balance aus strahlenden Melodien und griffigen Improvisationen. Nicht nur für praktizierende Gitarristen empfehlenswert.

Treson

Treson: That is Talking…

(www.treson.de)

Schön, dass es so etwas noch gibt: drei Musiker, die noch etwas wagen. Treson heißt das Projekt von Carsten Bethmann, Gerhard Dongowski und dem alten Indie-Rock Haudegen (39 Clocks, Kastrierte Philosophen) Ruediger Klose.Treson heißt auch: zwei Gitarren und ein Schlagzeug. Ungewöhnlich, aber auch ungewöhnlich gut. Musik, die für sich selbst spricht und sich Kategorisierungen verweigert: Jazz, Avantgarde, Funk, Rock, Wasachimmer. Es geht um musikalische Kommunikation, um verzwirbelte Dialoge der beiden Gitarristen, angebunden an die schwingenden Grooves Kloses. Listen up!

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Jason Moran: Same Mother
(Blue Note/EMI)

Geht nicht, gibt’s nicht für Jason Moran: Africa Bambataas HipHop-Hymne „Planet Rock“ als akustische Piano-Trio-Etüde, Prokofiev als rummtaktiger
Avantgarde-Jazz-Laborversuch, Blues im Säuerbad mit mit verschrobenen Harmonien. Mit seinen beiden Mitstreitern Tarus Mateen (Bass) und Nasheet Waits (Schlagzeug) hat sich der junge Pianist Jason Moran einen Namen als experimentierfreudiger, nach allen Seiten offener, aber doch der Jazz-Tradition verpflichteter Grenzgänger erspielt. Auf seiner neuen, ausgesprochen abwechslungsreichen und stimmungsschwankenden CD „Same Mother“ gesellt sich noch der Gitarrist Marvin Sewell hinzu. Das Resultat: archaisch klingender Jazz mit Blues- und New Orleans-Verweisen und sich reibenden Improvisationen. Solch eine CD hört man nicht jeden Tag.

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Paul Motian Trio: I Have The Room Above Her
(ECM/Universal)

Es ist das Klangereignis, dass die Namen für dieses Projektes verantwortlichen Musikern versprechen. Paul Motian, Meister des assoziativen, fein schattierten Schlagzeugsspiels trifft auf zwei Feinzeichner der Improvisationskunst, den Gitarristen Bill Frisell und den Saxofonisten Joe Lovano. Allesamt Musiker die in den Jazzpolls der Welt Spitzenplätze belegen. Warum, das so ist, ist eindrucksvoll auf dieser CD zu hören. Wie die drei sich abtasten, sich unterstützen, Freiräume im Kollektiv besetzen, Ideen gegenseitig fortspinnen und dabei einen feingliedrig vernetzten Gesamtsound inszenieren, hat schlichtweg Klasse. Transzendent und transparent.

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Waldemar Bastos: Renascene
(World Connection/Edel Contraire)

Sprechen wir von Weltmusik! Wer sich noch fragt, was das eigentlich sein soll, muss dieses CD des aus Angola stammenden Waldemar Bastos hören. Zwar ist dies in erster Linie afrikanische Musik, aber ihre Offenheit in alle Himmelsrichtungen lässt die Vision einer Weltmusik realistisch erscheinen. Mit Musikern aus ganz Afrika, aus der Türkei, aus Portugal, aufgenommen in Berlin und London, ist Waldemar Bastos ein wunderschönes, atmosphärisch dichtes Album mit hingebungsvollen Melodien gelungen.


Gianluigi Trovesi/ Gianni Coscia: Round About Weill
(ECM)

U oder E, Tiefsinn oder Banalität? Zwischen diesen Grenzen operierte Kurt Weill. Zeit seines Lebens wurde der eine gegen den anderen ausgespielt – der Hindemith-Anhänger gegen den Broadway-Komponisten. Wie unsinnig solche Trennlinien sind, beweisen der Klarinettist Gianluigi Trovesi und der Akkordeonspieler Gianni Coscia auf ihrer neuen CD. Leicht, variantenreich und unorthodox loten die beiden die weillschen Themen aus und entwickeln einen ausdruckstarken, nie ausufernden Dialog mit überraschenden Wendungen. Große Kunst, die auch unterhält.

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Tommy Smith Sextett: Evolution
(ESC Records)

Tommy Smith ist ein Berkleeaner. Und das hört man auch: sicher und meisterlich geschult schlängelt sich der schottische Absolvent an der amerikanischen Berklee-Musikschule durch noch so verzwickte Chorusse. Die neue CD des Tenorsaxofonisten aber ist alles andere als ein schulmeisterliches Lehrstück in Sachen Modern Jazz. „Evolution“ besitzt Feuer, die Improvisationen Herz und Verstand. Alleine die Besetzungsliste sagt alles über die Qualität dieser CD aus: Joe Lovano, John Scofield, John Taylor, John Patitucci und Bill Stewart zeigen sich unter der Ägide Smiths von ihrer Schokoladen-Seite. Ein All-Star-Date mit überzeugenden Resultaten.

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Copland/Abercrombie/Wheeler: Brand New
(Challenge/Sunny Moon)

Kammermusikalischer Jazz nennt man das häufig, wenn ein Schlagzeuger fehlt, der Druck macht. Für das, was Abercrombie, Copland und Wheeler machen, ist der Begriff Kammermusik fehl am Platze. Diese Musik klingt nicht akademisch, sondern sinnlich. Das gemeinsame Abtasten der melodischen Motive, das Verweben mit harmonischen Mustern lässt die großen Individualisten erkennen, die gemeinsam ein homogenes Klangbild kreieren. Am schönsten zu hören bei zwei Standards: „Taking A Chance On Love“ und „Work Song“ klingen als wären sie gestern erst komponiert worden.

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Marcus Miller: Silver Rain
(Dreyfus/Soulfood)

Es mag Menschen geben, die Millers Endlos-Slappen mit Boykott belegen. Mit seiner neuen Solo-CD allerdings lässt es sich arrangieren. Dabei hat Miller auf dieser Produktion wieder mal den Daumen drauf. Es wird viel, kreuz und auch quer gecovert – und das Slappen hat er auch nicht aufgegeben. Im Gegenteil. Sei’s drum: „Silver Rain“ klingt fett, funky und abwechslungsreich. Die Songs stammen aus der Feder von Clapton, Hendrix, Prince, Ellington, Stevie Wonder und Beethoven. Jawohl, richtig gelesen. Macy Gray, Lalah Hathaway, Kenny Garrett u.a sorgen für ein erlesenes Line-Up und wer noch mehr wissen will, hört einfach mal rein.

Arto Tuncboyaciyan: Love Is Not In Your Mind & Artostan
(Heaven & Earth/harmonia mundi)

Damit der überforderte Plattenverkäufer (gibt es so etwas überhaupt noch) nicht daneben liegt, hat der Künstler die Kategorie gleich mitgeliefert. Zu finden sind diese beiden, parallel erschienenen CDs des Percussionisten Arto T. im Fach „Avant-Garde Folk Music“. Und wenn nicht dort, dann wird Ihnen in der Rubrik Weltmusik bestimmt geholfen. Weltmusik, das erklärt vieles, hilft hier aber auch nicht weiter. Im Falle von Arto T. handelt es sich um Percussionsmusik auf allen möglichen Tonerzeugern (auch Gesang), basierend auf armenischer Volksmusik. Arto T.’s Klangbilder haben dabei eine balsamierende, wohltuende Wirkung, verbreiten Melancholie aber ebenso auch Lebensfreude. Auf der CD „Love Is Not Your Mind“ wirkt zudem der Keyboarder Vahagn Hayrapetyan mit.

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Badi Assad: Verde
(edge/Deutsche Grammophon)

Seit sie 1993 ihr erstes Album (Chesky Record) veröffentlichte, zählt Badi Assad zu den herausragenden und innovationsfreudigen Musikern der Gegenwart. Weniger wegen ihrer Sangeskünste, sondern ihrem Gitarrenspiel. Auf „Verde“, ihrer neuen CD, bündelt sie ihre vielseitigen Talente und beeindruckt mit einem facettenreichen, virtuosen wie eingängigen Stimmungsbild weltoffener brasilianischer Musik. Bossa Nova ist nur einer von vielen Musikströmen, die hier zusammenfließen. Auch Jazz, Klassik, Pop und Rock mischen gehörig mit. Sogar Led Zepplin wird zitiert, Björk und U2 gecovert. In Badi Assads musikalischem Reich ist viel Platz für Überraschungen, positive Vibes und sonnigen Melodien.

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DVD: Miles Davis: A Different Kind Of Blue
(Eagle Vision/ Edel)

Es waren die ereignisreichsten 37 Minuten der Jazzrock-Geschichte. Am 29. August 1970 spielte Jazz-Gott Miles Davis vor 600.000 Hippies beim Festival auf der Isle Of Wright. Mehr als ein Stück spielte er nicht, dies war eben 37 Minuten lang und hieß einfach: „Call It Anything“. Weil: mehr sagen musste man dazu nicht. Hier ist Miles Davis, kurz nachdem er mit „Bitches Brew“ den Jazz für Rock und elektronische Musik geöffnet hat, auf dem Zenit angekommen. Mit einer Musik, die heute noch rätselhaft, intensiv, kraftvoll und zeitlos wirkt. Ein wild treibender Strom an Sounds, Ideen und Grooves. Psychedelisch, verstörend und eruptiv. Diese auch aufnahmetechnisch brilliante DVD gibt nicht nur die 37 Minuten des Isle-Of-Wright-Konzerts wieder, sondern lässt auch Miles-Sidemänner wie Herbie Hancock, Mtume, Marcus Miller oder Dave Holland, Miles-Freaks (Santana) wie Gegner (Stanley Crouch) zu Wort kommen und zeichnet ein detailliertes Stimmungsbild (mit weiteren Konzertauschnitten) des elektrischen Miles
Davis (der in dieser Phase die Blaupause für HipHop und Drum’n’Bass mitlieferte) in der Zeit von 1970 bis 1983. Grandios, Pflichtkauf.

Weitere DVD-Tipps:
Charles Mingus 74
Earth, Wind & Fire 97
Curtis Mayfield 87
(alle live in Montreux)

Rezensionen von Tiga Schwope